Notwendigkeit von Supplementen

Die Frage der Objektivität

Supplemente können ohne Frage ein wichtiges Werkzeug sein. Manchmal besteht ein fließender Übergang von Substituten zu tatsächlich verschriebenen Medikamenten - welche für den Patienten lebensnotwendig sein können.

Es ist daher durchaus ernst zu nehmen, dass Menschen zum einen ihre Ernährung optimieren wollen, zum anderen durch diesen Prozess vielleicht sogar einen Mangel oder eine Erkrankung entdecken und damit vorsorgen bzw. behandeln.

Gleichzeitig muss man natürlich auch ganz klar zwischen Notwendigkeit und gefühltem Bedarf differenzieren. Dies Nahrungsergänzungsbranche boomt und nicht alle Aussagen bezüglich des Bedarfs eines Menschen sind evaluiert. Wenn Menschen verunsichert oder gar verängstigt werden, nur um die Kaufbereitschaft zu erhöhen ist das schlecht. Wenn jemand durch eine kleine Ergänzung seiner Essgewohnheiten einen gesundheitlichen und energetischen Mehrwert erfährt ist das toll. Deswegen ist die für mich entscheidende Frage: wie kann ich objektiv zwischen einem Bedarf und einem künstlich hergestellten, oder gefühlten Bedürfnis unterscheiden. 

Ein Artikel von Matthias Maier - Personal Trainer aus Augsburg
Ein Artikel von Matthias Maier - Personal Trainer aus Augsburg

Um subjektive Interessen auszuschließen, sollten Aussagen wissenschaftlich evaluiert werden und die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden.

Die Aussage: "In unseren Böden sind nicht mehr die Nährstoffe wie vor 30 Jahren" mag stimmen und logisch klingen. Die Schlussfolgerung, dass wir deswegen auf Mikronährstoff Basis chronisch unterversorgt sind, nicht.

Die Aussage: "Menschen nehmen zu wenig Proteine zu sich, daher entsteht ein Risiko für XYZ" ist vielleicht richtig, die Supplementierung von Proteinshakes ist aber unter Umständen nur eine Symptombehandlung.

Ein Nahrungsergänzungsmittel, welches eine zweiseitige Übersicht an lebensverbessernden Inhaltsstoffen hat, mag ein tolles Produkt sein - die Frage ist aber immer, was im Blut und letztlich in unseren Zellen ankommt.

Wer sinnvoll supplementieren will, braucht eine zuverlässige Ausgangs-Datenlage, einen "Medikationsplan" und sollte die Ergebnisse überprüfen.

Die Vorteile der Ergänzung bestimmter Lebensmitteln sollten außerdem immer in den Kontext mit anderen Maßnahmen gestellt werden. Wer sich nur 500 Schritte am Tag bewegt, dem wird kein Vitaminpräparat helfen. Wenn wir zu flach atmen und uns die Fremdbestimmung unseres Alltags stresst, sollte das Supplement "Atemübung und bewusste Entspannung" dem Proteinshake vorgezogen werden.

Aus meiner Erfahrung sind langfristige und ganzheitliche Veränderungen notwendig, auch wenn viele Menschen nach der schnellen Lösung durch ein Substitut suchen. 

Manchmal ist weniger mehr

 Supplementieren (lateinisch supplere: „ergänzen, ersetzen) bedeutet, etwas hinzufügen zu wollen.

Genau, hier liegt meines Erachtens das Problem. Menschen richten ständig den Fokus darauf, ihrem Leben etwas hinzufügen zu müssen. Hinzufügen im Sinne von konsumieren und sich von ihren Bedürfnissen abzulenken. Vielen Menschen würde es meiner Meinung nach mehr bringen, wenn sie nicht danach suchen würden, was sie ihrem Leben hinzufügen könnten, sondern ganz im Gegenteil, welchen Ballast, welchen Druck und welche negativen Empfindungen sie ihrem Leben wegnehmen sollten.

Ich denke die Reduzierung von Ansprüchen, Wünschen und Besitz würde vielen dabei helfen klarer, fokussierter und glücklicher zu sein.

In einer Welt, in der wir unendlich viele Möglichkeiten haben und uns permanent mit unserem Umfeld vergleichen, ist denke ich die große Kunst, zwischen einem wirklichen Bedürfnis und einem nur vorläufigen Dopaminschub unterscheiden zu können. Konsum ist im Endeffekt nichts anderes als ein weiteres Nahrungsergänzungsmittel, das uns ein Ergebnis verspricht, aber uns in Wahrheit von unseren eigentlichen Bedürfnissen entfernt. Das unser Leben weiter aufbläht und uns mit schwerem Gepäck reisen lässt. Sich selbst zu rationalisieren und die Essenz der Dinge zu finden, die man wirklich braucht, ist ein sehr interessantes, minimalistisches Lebensmodell. 

Für mich ist die Entwicklung der Nahrungsergänzungsbranche ein wunderbarer Spiegel der Gesellschaft. Effizienz, Wirksamkeit und Geschwindigkeit sind die Treiber. Und auf unserer Reise sind wir so getrieben von unseren Zielen , dass wir ganz vergessen den Weg dorthin zu genießen oder zumindest bewusst wahrzunehmen.

 

Neben diesen philosophischen Gedanken möchte ich ein paar konkrete Handlungsempfehlungen formulieren. Bevor du dich mit der Optimierung und Ergänzung der Ernährung, also dem Finetuning auseinandersetzt, solltest du eine solide Basis schaffen. Die wichtigsten drei Bausteine für mehr Lebensenergie und eine entsprechende Basis sind für mich folgende:

  1. Atmung: Sauerstoff ist der wichtigste Mikronährstoff für unseren Körper. Entscheidend ist, wie tief wir atmen und wie viel Sauerstoff im Blut, bzw. der Zelle ankommt. Mit dem Bolt Test kannst du deine Sauerstoffversorgung testen: Leg dich hin und atme einmal vollständig ein und anschließend aus. Stoppe die Zeit und beobachte wie lange es dauert, bis du wieder einen deutlichen Einatmungs-Drang bekommst. Entscheidend ist nicht, wie lange du es aushältst, sondern wann das erste deutliche Signal deines Körper kommt. Alles unter 20 Sekunden ist ein deutliches Zeichen für den Optimierungsbedarf deiner Sauerstoffverwertung.
  2. Schlaf: Deine Regeneration findet bekanntlich im Schlaf statt. Kein Nahrungsergänzungsmittel der Welt kann diesen substituieren. Die individuelle Schlafdauer variiert von Mensch zu Mensch, für eine exakte Bewertung gibt es mittlerweile diverse Hardware. Grundlegend sollte dein Schlaf ohne Unterbrechungen und mindestens 7 Stunden am Stück stattfinden. Die Art und Weise, wie du aufwachst, gibt dir auch einen guten Richtwert - im Idealfall wachst du von alleine auf und bist relativ schnell Energiegeladen. Du hast unter Tags keine Müdigkeitstiefs und bildest einen regelmäßigen Schlafrhythmus. 
  3. Ernährung: Was, wann und wie viel optimal für dich ist, hängt von vielen Faktoren ab und ist nicht pauschalisierbar. Grundlegend ist dein Stuhlgang, sowie deine subjektive Empfindung nach einer Mahlzeit ein gutes Indiz für die Verträglichkeit. Wie so oft macht die Dosis das Gift - du solltest dich von keinem Lebensmittel "überessen". Wenn es um die Auswahl deiner Lebensmittel geht, ist Qualität ein pauschal wichtiger Faktor. Nachhaltig und biologisch vollwertig produzierte Lebensmittel sind industriell produzierten vorzuziehen. Wie in den meisten Lebensbereichen schlägt ein gesundes Mittelmaß die Extreme. 

Wenn du diese drei Säulen überprüft und optimiert hast, solltest du einen Experten für dein Assessment aufsuchen. Aussagekräftige Tests müssen dein Blutbild und eine Stuhlprobe beinhalten. Alles andere ist mit hoher Wahrscheinlichkeit unwissenschaftlich und sollte kritisch hinterfragt werden. Ärzt*innen die in diesem Bereich spezialisiert sind, führen an dieser Stelle ein ausführliches Anamnesegespräch. Es handelt sich - wie bereits angesprochen - um eine sehr vielschichtige Thematik, deren Behandlung Zeit bedarf. Pauschale Empfehlungen sind aus meiner Erfahrung unseriös, da es sich meistens um subjektive Empfehlungen handelt.

Wissenschaft kennt keine Provisionen und persönlichen Überzeugungen, sondern basiert auf überprüfbaren Fakten, die jederzeit hinterfragt werden können (und dürfen!!) und damit eine objektive Diskussionsbasis ermöglichen.